Erstens einmal moechte ich mich gegen diese - nicht nur von Dir - hier implizit vorgebrachte Behauptung, dass alles, was mit Geld zu tun hat, schlecht sei, wehren. Offensichtlich bist Du davon ja so ueberzeugt, dass Du es nicht mal erklaeren musst - allein die Nennung von Geld oder wirtschaftlichen Interessen macht den zum Helden, der es sagt, und haengt dem, der wirtschaftliche Interessen hat, einen nicht naeher spezifizierten Makel an.
Es gibt sogar Leute, die soweit gehen, sich fuer OSM eine “noncommercial”-Lizenz zu wuenschen, also eine, die jede geschaeftliche Nutzung verbietet. (Und die sich, das nebenbei bemerkt, lt. opendefinition.org nicht mehr “offene Lizenz” nennen darf, weil sie gegen Einsatzzwecke diskriminiert.)
Ich verdiene Geld mit OSM. Genau genommen, verdiene ich hauptsaechlich Geld damit, dass ich mein Wissen ueber OSM an Leute verkaufe, die dieses Wissen haben wollen. Und ich bin voellig unzweifelhaft davon ueberzeugt, dass meine geschaeftliche Aktivitaet dem Projekt unterm Strich nutzt, weil ich es bekannt und teilweise erst “hoffaehig” gemacht habe, und auch, weil ich eben durch meine berufliche Taetigkeit viel in das Projekt zurueckfliessen lassen konnte (hauptsaechlich Software, aber letzten Endes zahlen meine Kunden auch die Server, auf denen ich z.B. die Geofabrik-Extrakte bereitstelle, und anderes). Dadurch, dass ich mit OSM mein Geld verdiene, habe ich natuerlich auch ein Interesse daran, dass das Projekt gedeiht, dass die Mapper weiter Spass an der Sache haben, dass weiter alles besser wird. Ich sehe da ueberhaupt keine Schande, und bin immer ein bisschen geknickt, wenn jemand, so wie Du, mal eben im Nebensatz jeden, dessen Broterwerb irgendwie mit OSM zusammenhaengt, pauschal als niederen Menschen hinstellt.
Aehnlich wie mir, nur in groesserem Stil, geht es Firmen wie Mapquest - die haben gross angekuendigt, dass sie jetzt OSM einsetzen wollen und insgesamt 1 Million US$ investieren wollen. Das meiste davon geht sicher fuer irgendwelchen Firlefanz drauf, da mach ich mir nicht viel Illusionen, aber ein paar 10.000 US$ bleiben sicher auch fuer uns haengen, um neue Server zu kaufen und aehnliches. Wir sind nicht irgendein Nerd-Projekt, das nur fuer Hobbyisten da ist und in dem jede wirtschaftliche Nutzung bloss “Abzocke” ist. Wir bauen uns hier ein kleines Oekosystem, an dem wir mit voller Absicht auch die Wirtschaft teilhaben lassen, weil es uns unterm Strich Vorteile bringt.
Nun aber zurueck zu Deinem eigentlichen Punkt. Du kritisierst, dass die ODbL kein Share-Alike an “produced works” (dem T-Shirt z.B.) fordert und behauptest, das sei ja wohl allein wirtschaftlichen Interessen geschuldet. Das ist falsch. Der Grund dafuer ist der Wunsch, dass OSM von moeglichst vielen Leuten moeglichst vielseitig eingesetzt werden kann, und dafuer ist die CC-BY-SA auf alles (inklusive der “produced works”) einfach eine zu grosse Einschraenkung.
Es ist richtig, dass durch die Sache mit den “Produced Works” bestimmte wirtschaftliche Nutzungen moeglich werden, die es derzeit nicht gibt. Beispiel: Eine Zeitung in England beauftragt einen Studenten, eine Bierkneipenkarte der Stadt zu erstellen. Der Student besucht alle Kneipen, malt sie in eine OSM-Karte ein, die Zeitung druckt das in ihrer Sommer-Freizeit-Beilage als coole Attraktion ab. Unter CC-BY-SA wird sowas nicht passieren, weil die Konkurrenz-Zeitung am naechsten Tag dieselbe Karte hat. (Der Student wuerde in einer Kneipe jobben, statt Kneipen zu mappen.) Mit der ODbL muessen zwar die gesammelten Kneipen als Datenbank rausgegeben werden (und wir koennen die importieren, wenn wir wollen), aber die Kneipenkarte (die uns als OSM-Projekt egal ist, wir koennen uns jederzeit selber eine machen) ist Copyright der Zeitung. Ich finde das super: Wir machen uns durch sowas doch die Wirtschaft zu nutze und holen mehr fuer uns raus!
Aber selbst fuer einen eingefleischten Wirtschaftsfeind habe ich ein Beispiel, in dem die ODbL nutzbringend ist, und zwar ein ganz lebensechtes aus der Praxis von Nop, der die Reit- und Wanderkarte macht und der auch hier im Forum schreibt. Nop benutzt Hoehendaten in der Karte, die unter einer “Noncommercial”-Lizenz stehen. Daher ist es ihm nicht moeglich, diese Daten direkt mit den Share-Alike-Daten von OSM zu verbinden (denn die Hoehendaten sagen “alles, was Du aus mir machst, muss noncommercial sein”, und die OSM-Daten sagen “alles, was Du aus mir machst, muss CC-BY-SA sein und ist daher auch kommerziell nutzbar”). Bringt man beides in einem Werk zusammen, gibt es lizenzmaessig so eine kleine Materie-Antimaterie-Reaktion: Uebrig bleibt nichts, das Werk darf nie veroeffentlicht werden. Nop umgeht das im Moment, indem er an den Web-Browser unterschiedliche Kacheln ausliefert - untendrunter OSM-Kacheln (CC-BY-SA), darueber halbtransparente Hoehenkacheln (noncommercial), darueber wieder eine Lage CC-BY-SA mit Strassen. Das ist ein Riesenaufwand auf seiner Seite, erzeugt viel mehr Datenvolumen, eine langsamere Karte, sieht weniger gut aus, und jedesmal, wenn ich davon ein Plakat ausdrucke und es auf einem OSM-Messestand an die Wand haenge, verstosse ich praktisch schon gegen die Lizenz. Kurz gesagt, ein Riesenmurks. Mit der ODbL wird es Nop moeglich sein, die Hoehendaten direkt mit den OSM-Daten zu verbinden und eine schnelle, schoene, und vorallem ausdruckbare und weiterverwendbare Karte - unter einer Noncommercial-Lizenz - herzustellen.
Das ist nur moeglich, weil die ODbL darauf verzichtet, eine Lizenz fuer “produced works” festzuschreiben. - Selbst ein erklaerter Kommerzgegner wird heute gezwungen, seine aus OSM hergestellte Karte unter einer auch kommerziell nutzbaren Lizenz zu veroeffentlichen; mit der ODbL hat er hier die freie Wahl.
Ich habe mir hier jetzt zum wiederholten Mal viel Muehe gegeben, ins Detail zu gehen, und ich wenn ich damit auch nichts anderes erreiche, so hoffe ich doch auf eine Einsicht: Es ist alles weder einfach, noch schwarz-weiss. Alles, was man tut in Sachen Lizenz, hat mindestens zwei Seiten. Es ist sehr leicht, etwas vermeintlich gutes einzubauen und damit etwas schlechtes zu erreichen. Diese Lizenz ist nicht mal eben so hingerotzt - da haben wirklich viele Leute drueber diskutiert und sich die Koepfe zerbrochen, darunter auch Leute mit wirtschaftlichen Interessen, aber genauso und voellig gleichberechtigt auch Hobbyisten saemtlicher Meinungsrichtungen in OpenStreetMap. Diese Lizenz ist nicht leichtfertig, und ganz bestimmt nicht von irgendwelchen Einzelinteressen bestimmt.
Bye
Frederik