Radverkehrsnetz in Frankfurt - über 5000 Relationen?

Ich antworte mal einfach an dieser Stelle mit meinen Erfahrungen vor allem aus Bielefeld - würde mich am liebsten kurz fassen - denn ich würde lieber ernsthaft konstruktiv überlegen, wie man das deutsche Radverkehrsnetz einheitlicher abbilden könnte. Es gibt zig verschiedene regionale Varianten, dabei liegt allen im Prinzip das gleiche System zugrunde, das seit den 80er Jahren entwickelt wird, ab 1998 verbindlich festgeschrieben wurde, und so ganz allmählich je nach Gegend mehr oder weniger konsequent umgesetzt wird.

Ich bin in meiner Freizeit viel am Fahrradfahren und fahre viele der Routen ab, habe einige tausend Kilometer Radstrecke abgegrast. Ich habe dabei sehr viel Daten erhoben, für die es einfach kein passendes Taggingschema bisher gibt, daher bringe ich die Informationen in OSM, die ich habe, und achte vor allem darauf, keine Informationen zu zerstören.

Ein ganz großes Problem sind die Riesenrelationen mit vielen Mitgliedern, die z.T. über 10 Jahre alt sind, und zumindest hier in der Region teilweise überhaupt nicht mehr den Gegebenheiten entsprechen. Es ist allerdings sehr schwer an so einer Relation, wenn man losgeht, sie on the ground zu überprüfen, nachher im Blick zu behalten, was korrekt war, und was nicht.

Ich habe angefangen in Bielefeld. Da gab es eine Relation “Radverkehrsnetz NRW Stadt Bielefeld” mit 1152 Mitgliedern 4/2021, bei denen nicht dokumentierbar war, welche Abschnitte überprüft waren und welche nicht, und schon gar nicht wann. Nachdem ich das gesamte Bielefelder Radverkehrsnetz abgefahren war, blieben in dieser Relation 120 Relationen für Einzelrouten übrig. Das halte ich für einen großen Fortschritt.

Ich will niemanden nötigen, es genauso zu machen, aber ich möchte aus Spaß mal jemanden von den Kritikern bitten, zu erklären, wie er es in einem derart komplexen Netz es schaffen möchte, selbst den Überblick zu behalten, und sich insbesondere mit anderen Mappern die Arbeit teilen möchte. Das Verfahren mit den Einzelrelationen ist hochgradig transparent und wäre auch einer automatisierten Auswertung und Qualitätskontrolle zugänglich. Ich habe mich da sehr versucht in Analogie mit dem niederländischen System der Knotenpunktnetzwerke zu bewegen, mich auch intensiver mit der Auswertung der Daten in knooppuntnet.nl beschäftigt.

Zu einigen Einzelpunkten möchte ich etwas ergänzen:

Es ist relativ harmlos. Man kann die Relation genausogut gemischt mit Wegen und Relationen füllen. Das ist nicht overengineered, sondern underengineered, einfach und simpel: Ich radel eine Strecke ab, stelle fest, dass sie von Knoten zu Knoten mit Zwischenwegweisern intakt ist, und kann sie als Relation hinzufügen. Es gibt nämlich einen Haufen nicht intakte Stücke, historische Reste, Fragmente, die nur auf irgendwelchen Karten existieren usw. Die gehören alle nicht dazu. Das System scheint sich großer Beliebtheit zu erfreuen, wenn man sich in Taginfo die Verwendung anschaut.

Taggen direkt am Way: Schaut Euch Ulm an. Könnt ihr abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass eine bestimmte Route tatsächlich Bestandteil des aktuellen Radverkehrsnetz ist, anhand der tags lcn=yes (oder hatten sie dort, rcn, ich weiß es gerade nicht, hängt von der Laune der Mapper eines Ortes ab, was für das Grundnetz benutzt wird.) Es ist nur äußerst mühsam aus den Daten rekonstruierbar.

Was die Riesenrelation in Frankfurt angeht, bin ich nach einer Radtour von Karlsruhe nach Bielefeld einfach nur darüber gestolpert. Sie ist gerade erst angelegt worden, schaut Euch nur einfach die Statements des Urhebers an: celsius11 | OpenStreetMap, ich habe mich mit ihm und einem anderen Mapper aus Frankfurt kurzgeschlossen und wir haben uns darauf geeinigt, dass ich die Relation lösche, da keiner der anderen sich technisch dazu imstande sah - ich habe es letztlich noch nicht umgesetzt, weil ich stufenweise vorgehen wollte - sie erst als nicht mehr benutzbar kennzeichnen, und sie dann löschen, was ich nun gerade gemacht habe (die Nummer der Relation war: 14367009 - so kann man sie noch nachvollziehen…)

Da verstehe ich das Problem nicht. Das wird ausgewertet, zumindest von www.waymarkedtrails.org und Cyclosm. Die “Radfahrerkarte” beschränkt sich auf die Darstellung der benannten Routen und dem Knotenpunktnetzwerk, was ich legitim finde. Die 5000 Relationen sehe ich nicht. Es gibt halt Situationen, da sind die Kreuzungspunkte sehr dicht gesät. Für eine Nachvollziehbarkeit ist es hilfreich, wenn eine Relation nur einen Weg von A nach B abbildet, dann kann man ihn in einem Stück abfahren und kontrollieren. Sobald komplexe Verzweigungen auftreten oder Lücken entstehen, ist es nicht mehr ohne großen Aufwand verifizierbar.

Nein: Das ist kein lokales Problem. Das ist Deutschlandweit das gleiche System. Das hat mit Frankfurt gar nichts zu tun. In Großstädten ist es eher schwieriger umzusetzen. Das Grundsystem ist allerdings so, dass man auch ein Routen- oder auch ein Knotenpunktsystem damit machen kann. Manche Gemeinden bekommen es besser hin, manche schlechter. Das ist aber nicht die Frage, die in mit OSM diskutiert werden muss. Das System ist Bundesweit per Verordnung eingeführt worden, und es ist für das Mappen nicht relevant, ob es schlau oder nicht schlau ist.

Ich bin mit dem System inzwischen einigermaßen vertraut und finde es, wenn die Kommunen die Beschilderung hinbekommen (hinbekämen), sehr brauchbar - für meine Radtour vorletzte Woche bin ich mit dem System hervorragend klargekommen, Koblenz-Karlsruhe-Bielefeld, als Urlaubsroute mit Wechseln auf touristische Routen und eher Zielorientiert, 830 km, war sehr schön.

Ein ganz großes Problem ist, dass viele mitdiskutieren, die das Konzept nicht kennen, und ein weiteres, dass die Zuständigen in den Gemeinden und Städten die es umsetzen es teilweise auch nicht kennen, da könnte man manchmal in die Tischkante beißen.

Hierzu siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Empfehlungen_f%C3%BCr_Radverkehrsanlagen, für NRW recht gut erklärt: HBR_NRW, Kapitel 3 Ausschilderung, Hessen habe ich mir selbst noch nicht durchgelesen, ist in manchen Aspekten komplexer, wie es scheint: Handbuch Radwegweisung in Hessen. Der gemeinsame Nenner ist die obligate Kombination von Zielorientierter Wegweisung und Routenorientierter Wegweisung. Grundidee ist, dass das offizielle Fahrradnetz sich aus Knoten und dazwischenliegenden Routen zusammensetzt, an jedem Knoten soll es immer Zielwegweisungen geben, die Routen dazwischen sollen durch Zwischenwegweiser markiert werden, an denen keine weitere Wegweisung stattfindet. Benannte Routen sollen nur durch Einschübe an den Zielwegweisern dargestellt werden.

Ich empfehle dringend, nicht über Sinn und Unsinn bestimmter Vorgehensweisen beim Mappen zu diskutieren, ohne nicht das System verstanden zu haben. Das hat mich eigentlich bei der Diskussion in der Taggingmailingliste letztes Jahr die meisten Nerven gekostet.

Es ist auch ernst zu nehmen, dass dieses System für ganz Deutschland im Prinzip vorgeschrieben ist, aber unterschiedlich konsequent angewendet wird - von schludrig und sparsam bis überzogen alles dabei… Frankfurt gehört sicher tendenziell zur Kategorie etwas dichter bis überzogen.

Und ich verzweifle ja selbst an der Buntheit des Ganzen - allerdings schon an der Buntheit on the ground - kein Wunder, dass es ein bißchen Chaos in OSM gibt. Wen meine Bemühungen allein schon lokal etwas interessieren, kann gerne auf meiner Benutzerseite zum NRW-Netz stöbern. Was ich hier in Ostwestfalen an Inkonsistenzen gesehen habe, findet sich allerdings auch anderswo.

Sorry, es ist schon wieder so viel geworden.

Viele Grüße,
Sebastian

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