Fußgänger in OSM, das Stiefkind?

Eine Kleinigkeit, die ich hier einfach mal loswerden will: Ich bin Mitglied im FUSS e.V. und dadurch habe ich oft den Blick auf Fußgängerbelange fokusiert. Bei OSM ist mir aufgefallen, auch wenn es natürlich auch viel Positives zu berichten gibt, dass doch an einigen Stellen die Belange von Fußgängern etwas hinten anstehen. Vier Punkte, die mir aufgefallen sind:

  • Keine Fußgängerkarte: Auf der Webseite werden zwei Standardkarten, zwei Fahrradkarten, zwei ÖPNV-Karten und eine Sonderkarte angezeigt, aber keine einzige für Fußgänger.
  • Wichtigkeit von Straßen: Auf der Wiki-Seite Key:highway steht, dass die Straßen nach “Wichtigkeit” sortiert sind. Aber halt aus Autofahrer-Sicht. Für Fußgänger sind Autobahnen eher unwichtig, allenfalls störende Hindernisse, Fußgängerzonen, sowie Fuß- und Gehwege hingegen sind wichtig. Vielleicht könnte man hier eher “nach Platzverbrauch sortiert” oder “nach Größe sortiert” schreiben?
  • Gehweg werden nach wie vor an vielen Stellen als Straßenanhängsel behandelt und dadurch auf vielen Karten oft nicht angezeigt. Allerdings habe ich natürlich auch bemerkt, dass es auch viele Stellen gibt, wo diese bereits separat gemappt wurden und inzwischen gibt es dafür ja auch genügend Zustimmung. In diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren auf alle Fälle einiges getan! :+1:
  • Wenn Zufahrten (zu privaten Garagen) separat gemappte Gehwege kreuzen, werden bei OSM-Carto die Zufahrten über die Gehwege gemalt. Die Fußgänger auf den Gehwegen haben aber Vorrang (zumindest in Deutschland), weshalb da ja auch keine Querungsstellen eingezeichnet werden sollen.

Es gibt (insbesondere im Wiki) auch noch weitere Stellen, mir ist das schon mehrfach aufgefallen, nur hab’ ich die halt nie notiert und ich möchte jetzt auch nicht künstlich Sachen rauskramen. Wenn ich weitere Stellen finde, poste ich sie hier einfach.

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Ich finde, die “Tracegtrack Topo” hat schon gute Ansätze für eine Fußgängerkarte. Wenn der Renderer dieser Kate die Fußwege über die Straßen legen und nicht darunter verschwinden ließe und Übergänge anzeigte, wäre das eine brauchbare Fußgängerkarte.

Das hat eher Technische Gründe. Hier ist das Datenmodell bei OSM sich uneins wie man es macht.

Man KANN Fußwege/Bürgersteige separat erfassen, das hat aber einen riesen Nachteil im routing. Typischerweise kann man ja “jederzeit” vom Bürgersteig auf die Fahrbahn treten und diese queren. Wenn das separat erfasst wird geht das nicht mehr. Das liegt daran das “routing” immer auf einem Graphen stattfindet. Also man kann nur das benutzen als verbindung was explizit eingetragen ist.

Wenn ich das also als “Bürgersteig” separat daneben zeichnet müsste ich an jeder stelle an der eine verbindung, ein treten von Bürgersteig auf die Fahrbahn, möglich ist, eine explizite Verbindung zwischen Bürgersteig und Fahrbahn machen.

Es gibt da ja versuche mit Rollstuhlrouting, da schafft man überall dort eine Verbindung wo es einen abgesenkten Bordstein gibt weil ja nur da der Rollstuhl von Bürgersteig auf die Fahrbahn wechseln kann.

Also es gibt für beide Modelle, es als extra tags an der Fahrbahn, oder als separaten Weg zu erfassen gute gründe, und beide haben eklatante Nachteile.

Autorouting ist halt das einfachste weil ein Auto die größten anforderungen an die beschaffenheit der Wege stellt. Fahrrad wird schon schwieriger weil es da eine fantastillionen vorlieben und möglichkeiten gibt. Der eine mag sein Rad mal 3-5 Stufen tragen, der nächste mit dem 30kg EBike kann das nicht.

Und das wird nochmal um eine größenordnung komplexer bei Fußgängerrouting. Mehr Wege, mehr vorlieben, maximal unterschiedliche physiche möglichkeiten.

Abseits vom Routing gibt es ja durchaus die Vorstellung Verkehrsflächen, anders als aktuell, auch zusätzlich wirklich als Flächen zu erfassen. DANN hätte man die möglichkeit eben die Fuß/Radwege und sämtlicher verkehrsflächen separat zu erfassen in ihrer wirklichen Dimension. Aktuell ist das ja alles nur “geraten”. Wir haben eine Linie und packen da halt eine statische breite dran die dargestellt wird.

Notwendige Daten steigen halt von Auto → Radfahrer → Fußgänger exponentiell, ebenso wie die komplexität. Und das führt dazu das das halt so mitläuft, auch viel gemapped wird, aber es nicht flächendeckend ist.

Flo

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Du meinst TracesMap ?

Schau doch mal in die Reit und Wanderkarte:Link zur Wanderkarte
Die ist OSM basierend und erfüllt möglicherweise Deine Wünsche. Die habe ich zu meinen Garmin Zeiten immer als Wegekarte installiert. ich war immer begeistert.

OSM lebt davon, dass Leute sich selber einbringen. Wenn jemand bestimmte Dinge in einer Karte sehen möchte, dann muss er selber aktiv werden. Jemand dem das Thema nicht so wichtig ist, wird das aus eigenem Antrieb vermutlich nicht in Angriff nehmen.
Leute die OSM zum Routing für Kfz und fürs Fahrrad benutzen gibt es offensichtlich viele - daher entsprechend auch viele Router und Karten. Der Bedarf an Fußgängerkarten war anscheinend noch nicht so groß.

Natürlich sind die Straßen für unterschiedliche Nutzergruppen von unterschiedlicher Bedeutung. Das Ranking der Straßen ändert sich entsprechend in Abhängigkeit von der Anwendung. Jede Karte hat eine bestimmte Nutzergruppe im Fokus . Wie du schon festgestellt hast gibt es bisher kaum gute Fußgängerkarten die die Belange der Fußgänger hervorheben.

Gehwege werden nach wie vor an vielen Stellen als Straßenanhängsel behandelt und dadurch auf vielen Karten oft nicht angezeigt.

Die Straße ist übrigens alles zusammen. Ob ich das alles als eine gemeinsame Linie oder als Fahrbahn + Geh + Radwege + Begleitgrün getrennt erfasse ist eine Modellierungsfrage (da muss man keine Ideologie unterstellen - die steckt eher in der autofokusiert gestalteten Realität). Mit dem Einmalen der Gehwege ist es nicht unbedingt getan - wenn das nur für die Kartendarstellung passiert ist das Routing für die Fußgänger hinterher ggf. viel schlechter als vorher. Um die Bürgersteige angezeigt zu bekommen wäre ein eigener Fußgängerstyle sinnvoll, der auch die “Straßenanhängsel” ,so wie es cyclosm für Radwege tut, darstellt.

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OsmAnd zeigt im Radprofi ebenfalls die an der, bzw mit Straße eingetragen Radwege an.

Zumindest bei den größeren Straßen, speziell in Städten bin ich schon ein Fan von separat gezeichneten Fußwege, es muss halt wirklich sauber gemacht werden um ein gutes Routing Ergebnis zu erzielen. Gerade im Kreuzungsbereich ist sonst sinnvolles Fußgänger Routing nicht möglich.
Bei eher untergeordneten Straßen sieht die Lage ganz anders aus.

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In einem Punkt möchte ich dir aber zustimmen. Oft wird nur aus Sicht eines einzelnen Verkehrsmodus erfasst. Wenn man z.B. einen Radweg an einer Straße erfasst, dann würde ich erwarten, dass man den Fußweg entsprechend mitdenkt und miterfasst und nicht einfach unterschlägt.

Gilt auch andersherum - es werden nicht immer nur die Fußgänger unterschlagen
Viele nicht-straßenbegleitende Wege z.b. in Parkanlagen oder Querverbindungen in Wohnsiedlungen sind einfach als Fußwege eingetragen, selbst wenn dort (wie oft) auch Fahrradfahren erlaubt ist.

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@flohoff: Was du ansprichst, ist einfach die Frage der Tiefe der Abstraktion. Man kann natürlich Berlin auch als einen Node mappen. Für manche Anwendung reicht das. Das andere Extrem ist das Micromapping, beispielsweise in Neukölln. Theoretisch könnte man natürlich noch weiter gehen und jeden Pflasterstein einzeln erfassen, aber das dürfte Konsens sein, dass das übertrieben ist (abgesehen von den Stolpersteinen). OSM versucht da alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, das ist natürlich schwierig.

Grell. Zumindest ist das mein erster Eindruck. Oft auch sehr unübersichtlich. Wenn man es sich im Detail anguckt, sind da ein paar Dinge mit drin (Barrieren), aber sowas wie Querungsstellen fehlen auch da.

Das ist klar. Ich hab’ zumindest für mich, mal angefangen eine Fußgängerkarte für’s Händi zu erstellen. Ist gar nicht so einfach (ich bin ja auch kein Kartograph). Bei niedrigem Zoom gibt es kaum noch was, was einen interessiert, da ist es bei mir eher zu einer ÖPNV-Karte verkommen. Für Fußverkehr sind wohl vor allem Karten bei hohem Zoom interessant. Sieht schon lustig aus, wenn man mal Autobahnen nicht in der Karte hat (man sieht sie trotzdem, weil meist die Flächenpolygone dort nicht vorhanden sind). Ich werde da wohl noch einiges rumexperimentieren müssen, bis man das auch anderen Leuten zeigen kann…

Ja, das erfasst das OSM-Modell nicht richtig. Hat enorme Redundanz in den Daten zur Folge. Beispielsweise bei den Straßennamen, die oft duzende Male in der Datenbank sind (wenn man die Häuser dazunimmt, sogar eher hunderte Male). Besser wäre das (aus Daten-Redundanz-Sicht), wenn man stattdessen eine Relation verwenden würde. Aber Relationen sind ja auch nicht ganz unproblematisch, vor allem, denke ich, weil das Editieren und Nutzen oft recht kompliziert ist. Und man kann das Ergebnis in der Regel nicht direkt ansehen, das ist auch ein wichtiger Faktor.

Naja, ich denke, es ist gar nicht mehr möglich, alles in einem Schritt zu erfassen. Als ich 2007 angefangen habe, da ging das vielleicht für die Profis noch, da gab’ es noch nicht sonderlich viele Tags. Aber heutzutage ist das ja ein halbes Studium, bis man alles verstanden hat. Insofern ist es ganz normal, dass man sich auf einige Aspekte konzentriert und andere weglässt.

Heute gemapped, fusspfaeden, garten und baenke, seiht in OSM ‘Humanitarian’ ordentlich aus

Ich meine das unter https://www.openstreetmap.org auswählbare Layer “Tracestrack Topo”

Das scheint aber identisch mit dem zu sein, was Du verlinkt hast.

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[ im Wiki ] steht, dass die Straßen nach “Wichtigkeit” sortiert sind. Aber halt aus Autofahrer-Sicht. Für Fußgänger sind Autobahnen eher unwichtig

Da täusch dich mal nicht. Autobahnen sind eine nicht unerhebliche Orientierungshilfe und auch sonst… ein großes Hindernis wie z.B. Flüsse, die man nicht einfach so überqueren kann.

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Ich kann die Kritik nicht ganz nachvollziehen. Worum geht es überhaupt, willst du jetzt eine speziell für Fußgänger gerenderte Karte, die sich auf fußnutzbare Wege beschränkt (ausgabeseitig)? Oder kritisierst du die Erfassung von Fußwegen in OSM (eingabeseitig)?

Ich gehe viel zu Fuß und habe in OSM da echt noch nichts vermisst. Mit der Standardkarte komme ich fußgehend prima zurecht. Die meisten Straßen, genauer gesagt alle außer Autobahnen und Kraftfahrstraßen, stehen Fußgängern schließlich ebenso zur Verfügung wie anderen Verkehrsarten. Bei innerörtlichen Straßen versteht sich das von selbst, hier steht die in OSM erfasste Straße nicht nur für die Fahrbahn, sondern für das gesamte Verkehrsbauwerk inkl. Bürgersteigen. In der Erfassung von fußnutzbaren Wegen abseits des Straßennetzes, etwa Feld-/Waldwegen oder kleinen Fußpfaden, aber auch kleinen Fußwegdurchgängen oder Treppenwegen innerhalb von Ortschaften, braucht sich OSM nun wirklich nicht zu verstecken, da sind wir mindestens so vollständig wie die meisten anderen digitalen Kartenwerke. Sogar markierte Wanderrouten sind bei uns bereits in den Daten enthalten (sofern sie jemand erfasst hat natürlich) und werden in geeigneten Apps auch angezeigt.

Also nochmal gefragt: Was muss sich deiner Meinung nach verbessern?

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man könnte argumentieren dass OSM-Carto die Fußwege besonders
hervorhebt, weil sie rot dargestellt werden (sowohl Treppen als auch
footways).

Weil rot auf grün so gut zu erkennen ist :wink:

Mein Beitrag war weder als Kritik, noch als Appell gedacht - deswegen auch das Fragezeichen am Ende der Überschrift. Vielleicht ist es tatsächlich einfach so, dass Fußgänger keine eigene Karte brauchen, weil auf anderen Karten schon alles drauf ist. Vielleicht sind Autobahnen auch für Fußgänger wichtig, als Orientierungshilfe, wie jengelh schreibt. Mir geht es ja eher darum, das Thema Fußgänger in OSM mal zu diskutieren.

Andererseits, wenn du schon so fragst: Es gibt ja schon einiges an Tags die primär für Fußgänger interessant sind. Gehwegeigenschaften, Querungsstellen/-arten, Sitzbänke und dergleichen. Auch gibt es etliche Tags, die für Behinderte wichtig sind, wie Bordsteinabsenkungen, Engstellen, akkustische Signale an Ampeln. Abgesehen von den Sitzbänken ist kaum etwas davon auf den Standardkarten zu sehen. (Aber es wird z. B. beim Routing benutzt.) Hier fehlt mir klar beim Mappen das Feedback: Ich bemerke nicht, ob ich was beim Eintragen vergessen oder falsch gemacht habe. Das wäre was, wo man ganz konkret was verbessern könnte.

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Das sehe ich anders. Es geht nicht um abstraktion sondern um Datenmodelle die sich in ihrer Nutzung gegenseitig ausschliessen.

Beim Fußgängerrouting gibt es kein “one-size-fits-all”, du kannst dir nur aussuchen WELCHE Nutzung du vernachlässigst.

Beide stellen eine abstraktion dar, beide können bestimmte dinge und andere nicht, und du kannst nur ein modell verwenden.

Choose your warrior.

Flo

Wenn ich es richtig verstehe, geht es vor allem darum, herauszufinden, ob man vom Gehweg auf die Straße gehen kann, oder nicht, oder? Wenn man die Gehwege als Tag mappt, geht man davon aus, dass es geht (was allerdings nicht immer stimmen muss), wenn man die Gehwege als getrennte Wege mappt, geht man davon aus, dass es nicht geht (was ganz offensichtlich nicht immer der Fall ist).

Dann müsste man dem Modell doch einfach nur diese Information hinzufügen. Bekannt dazu ist mir das Proposal Separation. Das würde aber bedeuten, dass man auch bei getrennt gemappten Wegen erst mal davon ausgeht, dass man auf die Straße kann.

Ein anderes Problem ist natürlich, dass man die Zusammengehörigkeit der Straße und des Gehwegs erkennen muss. Das ist etwas, das ich schon sehr lange am OSM-Datenformat kritisiere. Mit einer Relation, die alles, was zu einer Straße gehört, zusammenfasst würde man sowas aber in den Griff bekommen, oder? Leider ist diese Relation noch nicht weit verbreitet…

Für footway/sidewalk parallel gemapped am Strasse gibts natürlich die Möglichkeit eine virtuelle intersection einzutragen mit highway=footway + footway=link um einem routing Lücke zu schließen. Im JOSM zeigt sich dies als Option

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