Forst oder Wald?

Hallo,

was mich nicht befriedigt, ist die Unterscheidung zwischen Forst und Wald. Nach meinem Verständnis und dessen, was ich während meines Studiums gelernt habe, ist simpel geschrieben folgendes:

Forst: Standortfremde Holzbaumarten, geringe bis garkeine Altersschichtung
Wald: Standortgerechte Baumarten, Altersschichtung…

Das ist aber erst mal unabhängig davon, ob das Gebiet forstwirtschaftlich genutzt wird oder nicht.

Speziell hab ich da den Unterspreewald im Auge: http://www.openstreetmap.org/?lat=52.027&lon=13.8717&zoom=13&layers=M Hier als Beispiel zwischen Krausnick und Schlepzig. Ich kenne diesen Waldbereich sehr gut (ich war dort schon vor 25 Jahren botanisch unterwegs) und vermag zu sagen, daß er in der Mehrheit eine natürliche, standortangepasste Baumartenzusammensetzung und Waldstruktur aufweist. Also ist es für mich “natural=wood” allerdings ist er in Teilen forstwirtschaftlich genutzt (i.d.R. Einzelstammentnahme). Vereinzelt gibt es 25-30jährige Aufforstungen (erkennt man im Luftbild sehr schön an linearen Baumreihen). hinzu kommt, daß er in Teilen periodisch (aber unregelmäßig) überschwemmt wird.

Eine Fläche mit “natural=wood” auf der forstwirtschaftliche Nutzung untersagt ist, stellt einen Schutzstatus dar, für dem “leisure=nature_reservat” da ist. Das müsste (der Internationalität wegen) der Kategorie nach den IUCN-Kriterien (http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/gebietsschutz/IUCN_Kat_Schutzgeb_Richtl_web.pdf ) spezifiziert werden.

was meint Ihr?

fragt Sven

So wie ich das Wiki verstehe, trifft auf jeden Wald in Mitteleuropa landuse=forest zu, da es nicht nur auf forstwirtschaftliche Nutzung drauf ankommt, sondern jeder Wald der in irgend einer Form von Menschen gemanagt wird (und sei es auch der naturbelassene Nationalpark, der ja auch ein Management hat) eben landuse=forest ist. natural=wood gibt es womöglich nur noch in Regionen wie etwa dem nördlichen Kanada, wo es noch weite Flächen gibt, die komplett von Menschen unbeeinflußt bleiben. natural=wood bedeutet für mich “echte” Wildnis. Solche existiert in Deutschland nicht. Nationalparks lassen zwar Natur einfach Natur sein, haben aber immer auch ein Management (Beobachtung des Zustandes, bestimmte Flächen insbesondere im Randbereich werden nicht ganz der Natur überlassen etc.)

Gruß
unixasket
(der schon immer schade fand, daß es in Deutschland zu eng für Wildnis ist)

Wahrscheinlich habe ich in dieser Sache einen anderen Blickwinkel, als andere; ich habe eine Studienrichtung im Ökologie-Bereich absolviert und kann infolgedessen recht gut einschätzen, was ich als Wald ansprechen würde, und was nicht.
Beispiele: eine mit der Kiefer bestandene Fläche würde ich i.d.R. immer als Forst bezeichnen: Monoton, küstlich begründet, wenige Alterklassen, auch wenn diese in Teilen durch forstliche Maßnahmen in einen naturnäheren Zustand umgebaut wird.
Aber: Kiefer auf Sanddünen oder Kiefer auf Moorflächen sind für mich immer Wald, da standortgerechte Baumart, kein Management. Gut, Moor ist eh nochmal eine andere Sache, da ggf. eine Management dain besteht, die Kiefer zu entnehmen um das Moor zuschützen.
Erle/ Esche ect. in Umgebung von Mooren sind für mich Wald (wieder Standortgerechte Baumarten), vor allem wenn ich weiß, daß dort keine regelmäßige Bewirtschaftung stattfindet. Das ganze ist natürlich immer vorausgesetzt einer gewissen Gebietskenntnis.
Was ist aber mit natürlichen Wäldern, in denen ein Management stattfindet?
Das Problem, was ich habe ist, daß die Grenze wie sie im Wiki zu lesen ist, zu hart und für mich nicht 100%ig nachvollziehbar ist. Eine Unterscheidung danach, ob eine Fläche Forst oder Wald ist, nur daran fest zu machen, ob sie vom Menschen gemanagt wird oder nicht, ist nicht schlüssig. Der Mensch kann eine Fläche nutzen und deren Artenzusammensetzung verändern und umbauen (künstliche Bestände) oder er kann die Fläche zwar nutzen, die bestehende Baumartenzusammensetzung aber erhalten und damit den an dieser Stelle natürlich vorkommenden bewahen (Naturwald). Zu sagen, da ist die Nutzung verboten ist eine juristische Restriktion.

Mal ein Beispiel für ein falschgetagten Naturwald: Grumsiner Forst http://www.openstreetmap.org/?lat=52.9862&lon=13.8995&zoom=13&layers=M Das dargestellt Waldgebiet ist fast in gänze Totalreservat, keine Bewirtschaftung, Unesco-Weltnaturerbe.

Dererlei Beispiele ließen sich einige finden. (abgesehen davon, daß die Angabe landuse=forest, wood=deciduous falsch gerendert wird)

Sven

Dass wir in OSM zwei verschiedene Tags für Wald haben, ist eine Altlast. Ich wär dafür, alle natural=wood auf landuse=forest umzutaggen und alle Verweise auf natural=wood aus dem Wiki zu entfernen.

Genauso gehören alle landcover=trees umgetaggt. Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat, aber er glaubte offenbar, ein Wald bestehe nur aus Bäumen. :roll_eyes:

Aha… hm… so schlimm finde ich es eigentlich gar nicht…

Oder anders: ich hätte gerne Möglichkeiten, Wald nach natürlichen und künstlich begründeten Beständen zu unterscheiden, zuzüglich Abgaben zur Nutzung, zeitweiliger Überflutung ect.

Sven

Das wären typische Fälle für Zusatztags.

Wie willst du künstlich oder natürlich begründete Bestände unterscheiden? Wenn man beim Kahlschlag ein paar Samenbäume (Überhälter) stehen lässt, ist es dann ein natürlich begründeter Bestand? Oder wenn man ein paar Jahre nach einer Naturverjüngung dann doch bei der Durchforstung bestimmte Arten bevorzugt?

Wie willst du zeitweilige Überflutung angeben? mean_time_between_floods=* ?

Mein Vorschlag wäre es, die Pflanzengesellschaften zu taggen. Weißt du vielleicht, wie Ordnung, Verband usw. auf Englisch heißen? Das wollte ich immer schon wissen, denn im Web ist darüber kaum was auf Englisch zu finden. Anscheinend ist die Pflanzensoziologie immer noch eine Domäne des deutschsprachigen Raums.

Weitere Unterscheidungen in Hoch-, Mittel-, Niederwald, Hudewald, Auwald, Plantage, Streuobstwiese, was auch immer wären sinnvoll. Ausgerechnet die Unterscheidung zwischen bewirtschaftet oder nicht ist in Mitteleuropa ziemlich sinnlos.

Baßtölpel

Naja landcover hat schon seine Berechtigung, vor allem wenn es ans Mikromapping geht. Zum Beispiel für eine Baumgruppe in einer Wohnanlage ist ein landuse=forest mit zusätzlichem Multipolygon wohl eher nicht angebracht. Da bringt es halt schon was, wenn man physisches Vorhandensein von hauptsächlicher Nutzung der umgebenden Landfläche unterscheidet. Für Wälder sollte man natürlich weiter landuse=forest verwenden.

Um noch was zum eigentlichen Thema beizutragen hier mal ein paar Proposals aus dem Wiki: habitat, taxon und Plant community, die für genauere Spezifizierung sinnvoll wären.

für mich zunächst immer noch Künstlich. Das, was ich bisher gesehen hab: als Wald wächst sehr oft nicht das, was als Wald wachsen sollte (Stichwort pnV)

…wenn die Bestände heimische und dem jeweiligen Standort angepasste Arten sind natürliche Waldbestände, bei geringer forstlicher Beeinflussung (wie du es beschrieben hast) naturnahe Waldbestände.

da gibt es doch unter wetland=* die Angabe seasonal=yes, ergänzen kann man das um seasonal=irregular. Das reicht meiner Ansicht.

ja, das ist das Problem, daß die klassische Pflanzensoziologie eine Domäne des deutschsprachigen Raumes ist. Ich glaube das würde aber zuweit führen, da die korrekte Ansprache einer Pflanzengesellschaft eher was für Spezialisten ist und man das nicht mal so schnell durch einen Blick in den Wald oder auf die Wiese machen kann. Außerdem besteht keineswegs eine Einheitlichkeit der Bezeichnungen der Pflanzengesellschaft und je nach Schule wird die Zuordnung weiter oder enger gefasst.

Ach und die eigentlichen englischen Bezeichnungen sin an dieser Stelle zweitrangig. Wichtig wären die wissenschaftlichen (lateinischen) Bezeichnungen : Klasse endet auf -etea, Ordnung endet auf -etalia, Verbände auf -ion

Beispiel:
Klasse: Querco-Fagetea
Ordnung: Quercetalia roboris
Verband: Quercion roboris

Den Autorennamen der Vegetationseinheit han ich weggelassen, muß aber eigentlich mit angegeben werden.

vergleiche auch Betrag #8 :

Sven

ja, das gefällt mir. Ich kann mir gut vorstellen, daß damit der Ottonormalmapper mit klar kommt. Die Unterscheidung nach bewirtschaftet oder nicht ist trotzdem wichtig. Es gibt genug Waldbestände in Mitteleuropa, die seit 50 Jahren und mehr nicht mehr bewirtschaftet werden.

Sven

Seh ich auch so. Ich bin oft in verschiedenartigsten Wäldern unterwegs, dass ich meine erkennen zu können ob ein Wald schon länger nicht bewirtschaftet wird, und tagge entsprechend, mal dies, mal das. Wobei man mit natural=wood in Deutschland im Grundsatz sparsam umgehen sollte…
Ich halte mich an den äußerlichen Anschein und die Wiki-Vorgaben als Kartierungsvorschrift. Die lassen hier eben einen gewissen Spielraum.

Ob es Urwälder gibt, an dieser Diskussion beteilige ich nicht. Da haben sich schon vor über 30 Jahren ne Menge Experten verbal die Köppe eingeschlagen und seitdem ist nix neues rumgekommen. Wer das nachvollziehen, oder was über naturnahe und Urwälder lernen will, sollte sich vielleicht das Buch “Rettet den Wald” von Stern/Burchel (1979) besorgen.

wetland=* ist ein Subtag zu natural=wetland, betrifft also keinen Wald im OSM-Sinne (landuse=forest oder natural=wood). Ich denke, dass Auwälder, auch Weichholzauen, als forest/wood getaggt werden. Nur Moorwälder sind natural=wetland. Darum lässt sich seasonal=* nicht auf Auwälder anwenden.

Na doch, nur hängt es halt von der Erfahrung ab, wie weit in der Hierarchie runter man eine Gesellschaft auf den ersten Blick bestimmen kann. Ich denke, die Angabe der Klasse ist schon mal besser als gar nichts.

Damit passt es gut zu OSM. :wink:

Mit der englischen Übersetzung meinte ich nicht das, was rechts vom Doppelpunkt steht, sondern das links vom Doppelpunkt. In OSM sollten die Keys englisch sein.

Wenn wir alles mit plant_society=* angeben, sparen wir uns natürlich die Übersetzung dieser Begriffe. plant_society=* verhält sich dann zu Assoziation, Verband usw. so wie taxon=* zu Art, Gattung usw.

Das Proposal zu habitat=* finde ich etwas missglückt, weil ein Habitat der unbelebte Teil eines Ökosystems ist.

Hallo,

Das ist meine Problem. Auwälder unterliegen per Definition als solche einer saisonalen under zumindestens unregelmäßigen Überflutung: Weichholzaue eher regelmäßig innterhalb ein- bis zweijahresfrist, Hartholzaue seltener… Moorwälder sind Wälder auf moorigen oder staunassen Standorten. Wetland sind für mich ehrer Moore, Feuchtgebiete ohne größeren Waldanteil. Ein Erlenbruch am Rande eines Verlandungsmoores ist für mich kein Wetland. Das Moor selbst schon.

+1, Bei Wäldern ist es durchaus bis zur Ordnung oder dem Verband möglich. Wenn man aber sowas einführen möchte, dann muß man auch an die Offenlandschaften, Moore und Gewässer denken, und spätestens da fangen die Probleme an.

+1

ich muß nochmal in mich gehen… :slight_smile:

Sven

Mich überrascht wie vehement hier über weitere Detaillierung diskutiert wird, wenn man sich nicht mal einig ist was ein Wald ist. :wink:

Hallo zusammen,

noch ein paar Anmerkungen von mir zu einzelnen Punkten eurer interessanten Diskussion.

Zu dieser Aussage würde mich ja eine Quelle interessieren. Das kommt doch nicht aus den Forstwissenschaften oder der Ökologie.
Wenn das stimmen sollte, würde es in ein paar Jahrzehnten weiteren Waldumbaus in Deutschland keine Förster mehr geben.
Vielleicht ist der Begriff Forst für einen Buchenwald ungewöhnlich, aber es sind fast alles Forste, auch wenn die Buche in Deutschland fast überall standorttypisch ist.

Es gibt schon noch mehr Urwälder oder unberührte Natur. In deutschen Nationalparks sind natürlich nicht alle Flächen ohne Management, aber es gibt einzelne Bereiche in denen natural=wood schon zutrifft (unterschiedliche Zonen eines NPs). Eine Beobachtung ist doch kein Management. Als Wildnis würde ich es aber auch nicht bezeichnen, da es doch sehr kleine Flächen sind. natural=wood könnte auch auf Verjüngungsflächen wie Auen, Lawinenbahnen oder Brachflächen zutreffen. Natürlich sollte es dafür schon als Wald erkennbar sein und nicht aus einzelnen Bäumen bestehen.

Ich habe den Sinn von landcover auch erst nicht verstanden. Wenn ich es jetzt nutzen würde, würde ich damit kleine Flächen innerhalb einer größeren landuse- oder natural-Fläche taggen. So könnte dann natural=wood und natural=grass aus Städten verschwinden. Der Begriff landcover ist nur für meine Interpretation nicht so passend.

Kann man ja mal machen, wann ist das ungefähr flächendeckend vorhanden? :wink:
Ich fände eine Unterteilung in Laub-, Nadel- und Mischwald toll, so etwas wird ja auch auf gedruckten Karten dargestellt.
Wenn es genauer wird, haben wir wahrscheinlich bald 30% Tannenwald in Deutschland :roll_eyes:.

Am wichtigsten fände ich eine Klärung wie mit Übergangstypen umgegangen wird. Häufiger kamen ja schon die Streuobstwiesen zu Sprache, auch hier wurde auf Auen und Niedermoore verwiesen. Den Übergang in der alpinen Zone gibt es auch noch. Das ist natürlich schwierig zu definieren und eine ordentliche Kartendarstellung braucht man dafür auch. Also Daumen hoch für

Grüße,
Daniel

Hallo,

Nein, das ist natürlich keine etablierte Definition, es war ein Versuch meinserseits, Grundsätzliche Unterschiede auf wenige Begriffe zu abstrahieren. Verdeutlichen müßte man das anhand einer Reihe von Beispielen, das aber wahrscheinlich den Rahmen hier sprengen würde. Trotzdem ein kleiner Versuch: Die Vorkommen der Gemeinen Kiefer (Pinus sylvetris) sind in der Regel künstlich begründet, da sie innerhalb der Waldsukkzession von anderen Arten auskonkurriert wird z.B. Rotbuche und Eiche. Je nach Lage in Deutschland sind Eichenmischwälder oder Rotbuchenwälder die Klimax-Waldgesellschaften. Eine Rolle hierbei spielen: Wasserversorgung, Nährstoffe und Klimafaktoren. Ein Wald macht nicht nur seine Baumarten aus, sondern in ihm natürlich vorkommende Straucharten und vor allem krautige Bodenflora.

Ein mit Eichen künstlich verjüngter Kiefernforst ist natürlich noch längst kein Naturwald, wird es sobald auch nicht werden. Er kann allerhöchstens etwas mehr Naturnähe bekommen. Erst wenn man dann den Förster rausschmeißt, und 100 bis 150 Jahre wartet, kann man eventuell von Naturwald reden.
An anderen Stellen hat man oft Naturwald: Verlandungszonen von Mooren und Seen, auf Sanddünen, u.U. in Auenniederungen.

Sven

Management hin, Försterei her, es gilt immer noch das alte Sprichwort:
Am besten hat’s die Forstpartie, es wächst der Wald auch ohne sie.:smiley:
(zitiert nach Horst Stern)

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