Aus dem OSMF-Vorstand

Hallo,

ich wollte eigentlich irgendwann im Dezember mal ein Blogpost “meine ersten 100 Tage im OSMF-Vorstand” machen, aber irgendwie kam ich nicht dazu. Der Inhalt wäre aber eh im Großen und Ganzen nur gewesen “es passiert eh wenig”.

Man (mich vor einem halben Jahr eingeschlossen) stellt sich das als Aussenseiter immer so vor, dass da diese wichtigen Vorstandsleute sind, die sich die ganze Zeit mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen. In Wahrheit ist aber das Ausmass der Arbeit und Zusammenarbeit im Vorstand ein Bruchteil von dem, was zum Beispiel hier vor sich geht. Wenn man als Unbeteiligter das Forum liest, kriegt man den Eindruck, dass da echt viele Leute viel Arbeit tun; läse man als Unbeteiligter die Vorstands-Mailingliste, würde man denken: “Passiert hier überhaupt was?”

Die Vorstandsmitglieder sollen ja keine Interna ausplaudern, aber ich denke mal, ich darf sagen, dass auf der Liste im Durchschnitt weniger als eine Nachricht pro Tag kommt, und dass ein Großteil davon auch einfach nur ein “+1” zu einer Terminabstimmung ist oder so. Die Vorstandssitzungen sind im Schnitt einmal im Monat und telefonisch und sollten nur eine Stunde dauern, manchmal werden es anderthalb, aber besonders viel passiert da auch nicht.

Ich hatte mir das etwas anders vorgestellt und bin manchmal etwas unglücklich darüber, wie lange sich eine vermeintlich einfache Sache hinzieht. Auch der Informationsfluss im Vorstand lässt zuweilen zu wünschen übrig; es ist mitnichten so, dass wir als Vorstand eine gemeinsame Aktenablage hätten oder jeder automatisch mitkriegt, was die anderen so tun (oder nicht tun). Letzten Endes funktioniert der OSMF-Vorstand auch nicht anders als der Rest vom Projekt: Man muss halt einfach selber was machen, statt lang rumzureden, bzw. umgekehrt. Das plane ich im angebrochenen Jahr auch verstärkt zu tun, und das ist aber auch eine wichtige Nachricht an alle im Projekt: Wenn ihr eine Woche an irgendwas coolem für OSM bastelt - sei es einer neuen Karte, einer Anwendung, oder einfach daran, die Karte vom eigenen Stadtviertel zu komplettieren, dann habt ihr ziemlich sicher mehr für das Projekt getan als der ganze OSMF-Vorstand in derselben Zeit :wink:

Als größere Themen stehen im Vorstand die Überarbeitung der Satzung, das “Management Team” und eine Richtlinie zu Markennamen auf dem Programm.

Bei der Satzung gibt es ein paar Rechtsfragen, die wir seit einigen Monaten schon zu klären versuchen, und der Vorstand will sich mal mit den Ergebnissen der “Strategic Working Group” befassen, die hier gelistet sind: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Strategic_working_group/Articles_of_Association_Review - letzten Endes ist diese “Working Group” aber sehr klein und ihre Ergebnisse daher nicht besonders repräsentativ. Wenn also jemand von Euch Anmerkungen zur Satzung hat, sind die jederzeit willkommen.

Das “Management Team” ist eine Gruppe, die sich so ca. aus den Vorsitzenden der “Working Groups” zusammensetzt, und von dem der Vorstand vor langer Zeit hoffte, es könnte vielleicht so eine Art “Geschäftsführung” der OSMF leisten, so dass der Vorstand sich nur noch mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen muss :wink: hat leider nie so geklappt, zum Teil auch deshalb, weil es dem Vorstand nicht leicht fiel, überhaupt Entscheidungen zu delegieren. Die Hoffnung lebt aber weiter, und wir wollen nochmal einen Versuch unternehmen, das auszubauen. Derzeit muss der Vorstand praktisch zu jedem Kauf einer Festplatte sein OK geben, und das skaliert nicht so wirklich gut.

Die Geschichte mit den Markennamen ist ja hier vor längerem schonmal angeklungen. Letzten Endes brauchen wir irgendeine “Trademark Policy”, die klar macht, dass jeder in der Community sich OpenStreetMap auf seine Warnweste schreiben kann, dass aber ESRI uns doch bitte vorher fragen soll, wenn sie ein (hypothetisches) Produkt namens “ArcOpenStreetMap” auf den Markt bringen wollen.

Ein persönliches Anliegen von mir ist, dass ich bessere Methoden der Mitbestimmung im Projekt aufbauen will. Das ist aber bislang mein persönliches Steckenpferd und kein OSMF-Vorstandsprojekt. Hab ich ja auch schon öfters gesagt - wer entscheidet überhaupt was in OSM und so. Ich denke mittlerweile, dass es zu schwer ist, zu definieren, wer zur Community gehört und wer nicht (ich als Oldtimer denke immer, nur Mapper gehören dazu, aber viele andere sagen nicht ganz zu unrecht, dass auch reine Anwender, Nutzer oder gar Wiederverkäufer irgendwie dazu gehören). Daher neige ich inzwischen dazu, zu sagen: Jeder, der mitbestimmen will, soll Mitglied in der OSMF werden, dann darf er - ohne dass wir jetzt schauen, ob der auch wirklich schonmal was gemappt hat oder so. Dazu müssen wir aber ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen, um Leute nicht zu benachteiligen - zum Beispiel sollte es auch jemandem ohne Geldmittel möglich sein, Mitglied zu werden, oder jemand, dessen Name nicht bekannt werden darf, weil er in einem Land lebt, in dem er eigentlich gar nicht mappen dürfte oder so. Da weiss ich nicht gar nicht, wohin die Reise genau geht, und es ist auch immer die Frage, wie weit die OSMF sich überhaupt einmischen soll.

Soviel mal als kleine Jahres-Anfangs-Botschaft.

Bye
Frederik

Hallo Frederik

Erst mal vielen Dank für deinen persönlichen Bericht zum Jahreswechsel. Damit erfüllst du, die von vielen gewünschte “Verbesserung der Kommunikation”, für deinen Teil vorbildlich.

Eigentlich ist es beruhigend, dass die Arbeit im OSMF-Vorstand kein Tages-füllender Job ist. Schließlich hat jedes der Mitglieder noch einen Hauptberuf.

Wenn es um die Satzung geht, wäre natürlich die Frage, auf welches Rechtssystem die OSM-Foundation aufbauen will. Zur Zeit ist das wohl eine ??? nach britischem Recht. Eventuell gibt es Rechtssysteme, die eine geeignetere Basis anbieten können.
Abgesehen von der Frage des ‘offiziellen’ Standortes und dessen Rechtssystem, ist mir im Angegeben Text nichts aufgefallen.
Die Möglichkeit 500-1000£ auch mal kurzfristig ohne den OSMF-Vorstand ausgeben zu können, ist sicher wünschenswert. Der gesamte Etat der OSMF ist wahrscheinlich so übersichtlich, dass dies zu keinen Problemen oder gar Missbrauch führen würde.

Zur Trademark Geschichte hattest du ja schon etwas geschrieben. Hier sollte man sich bald auf eine klare Linie verständigen.

Bei der Frage wer Mitglied werden darf, werden viele ein Problem mit 'Company Sponsored Member" sehen. Das kann ich nicht einschätzen. Eine Firma als ein Mitglied sehe ich jedoch nicht als Problem.

Edbert (EvanE)

Hallo Frederik,
ebenfalls von mir vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht und das du deine Eindrücke so direkt mit uns teilst :slight_smile:

Ich hoffe niemand nimmt meine Kritik an der OSMF persönlich, aber schon recht lange habe ich eben genau den Eindruck, dass sie die eigentlichen Aufgaben, die man von einem “Führungsgremium” erwarten würde, gar nicht erfüllt. Ich will das überhaupt niemandem direkt ankreiden, immerhin macht auch die Arbeit dort jeder in seiner Freizeit und ein Patentrezept, wie man so ein Projekt steuert, gibt es ja nicht …

Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich die** Foundation auch total verzettelt **und Aufgaben angeht, für die es nicht unbedingt jener kleine Kreis sein muss, sondern die vielleicht eher bei der Community aufgehoben sind. Stattdessen gibt es jede Menge Workinggroups, die (so hart es klingen mag) allen Anschein nach auf der Stelle treten:

  • Communication, Local Chapters, Operations, Strategic WG - sollten eigentlich Kommunikation innerhalb und nach außen unterstützen
  • Data WG - kümern sich um Vandalismus, Importe etc.
  • Licensing WG - haben Lizenzwechsel und rechtliche Fragen
  • Operations, Engineering WG - die “Arbeitstiere” :wink: die die Infrastruktur betreuen
  • StateoftheMap Organizing Committee
    Vielleicht strecke ich auch meine Fühler nicht mehr lang genug aus, aber es ist sehr schwer, rauszufinden woran dort jeweils gearbeitet wird und wo man vielleicht helfen kann. Aber auch dort um Hilfe zu bitten funktioniert nur schlecht. Diese Situation ist beim FOSSGIS aber IMHO recht ähnlich, vielleicht kommt erschwerend bei uns die Internationalität der Community hinzu. Wenn es aber schon innnerhalb der OSMF so schlecht um die Information bestellt ist, dann ist die mangelnde Transparenz gegenüber der eigenen Community natürlich hausgemacht :frowning:

Wenn man mal ganz nüchtern überlegt, wozu so ein formelle Organisation eigentlich gebraucht wird, finden sich nur einige dieser Themen dort wieder:

  • Betrieb und Finanzierung Infrastruktur und deren Wartung
  • Domain und Marken-Registrierung
  • Rechtliche Person für Datenspenden und bei Lizenzverstößen nach außen
  • Spenden sammeln um Entwicklung des Projektes zu unterstützen
  • Rechtliche Person für Anmeldungen (z.B. Google Summer of Code) oder bei Haftungsfragen (z.B. State of the Map organisation)
    Vielleicht sollte man sich also getreu dem Motto “Schuster bleib bei deinen Leisten”, mehr auf die Kernaufgaben konzentrieren, die die Foundation wirklich erfordern und diese dann auch gut und schnell erfüllen (z.B. das Thema Schatzmeisterei ist ja überall immer schwierig).
    Die anderen Themen wären ja auch toll, nur müssen diese doch aus der Community heraus kommen und können von der Foundation nur unterstützt werden? (z.B. durch Gelder, technische Ressourcenn, Kontaktvermittlung, …).
    Vielleicht bin ich ja auch nur zu pessimistisch oder habe einen überzogenen Anspruch, aber ich finde eben, dass die Foundation besser werden könnte, da im letzten Jahr ja durchaus Probleme aus dem Themenfeld durch sie nicht angegangen wurden:
  • Switch2OSM Bewegung aktiv unterstützen (domain regestrieren, bei nutzenden Firmen dafür werben, dass wir auch etwas zurück bekommen, sei es nun Daten oder Geld, …)
  • Lokale Chapter (also offizielle Ländervertretungen) etwa in Deutschland weiter unklar
  • Nachrichten/Kommunikation innerhalb der Community weiterhin desaströs und total verstreut
  • Essentielle Verbesserungen des Web-Frontend kommt immer noch nicht in die Pötte, woran das liegt ist weiterhin unklar…
  • Bing Militärgebiete blurren konnte keine Erklärung beschafft werden
  • mangelnde Apple iPhoto Attribution war über Monate unklar und nicht eingefordert
  • weiterhin Unklarheiten ob wir bei Apple Maps teilweise genutzt werden
  • ODbL gestiegene Unklarheiten, wann nun Copyleft greift und wir einschreiten sollten

  • Bitte nicht falsch verstehen, es wurden genauso Dinge angegangen, die wirklich sehr gut in meinen Augen funktionieren. Da sei einfach mal exemplarisch die SOTM und die Vandalismusbekämpfung zu nennen.

Wenn ich aber wünschen könnte, wie die Foundation sein sollte, dann würde ich sie mir irgendwie proaktiver wünschen. Es sollten also mehr Impulse von ihr selbst ausgehen und sie die Community befähigen die Sachen danach selbst angehen zu können. Also nicht mehr entscheiden, sondern mehr initiieren :wink:
Ich spinne einfach mal, was da so wäre:
Funktionsfähig bleiben
-trouble ticketing system und personelle Redundanzen aufbauen
-Mehrsprachigkeit fördern/nutzen
-Domains zusammenlegen
-einheitliche Plattform nutzen, die offen gegenüber der Community ist (z.B. unser existierendes Wiki) und nur in Ausnahmefälle interne Kanäle
-News auf zentraler Plattform austauschen
Fokussierung der Foundation
-weniger working groups
-Einbeziehung local Chapters/teams/groups
-Erklärungen zu neuen ODBl Bestimmungen und wie Community gegenüber Deinsteanbietern reagieren soll
Vorankommen unterstützen
-Plattform nützlicher zumindest für uns Mapper zu machen (OSB integrieren, NewtoOSM, QA Angebote zentralisieren, …)
-Plattform nützlicher für Entwickler machen (was wir bereits mit deutschen Entwicklungsserver gemacht haben)
-Konsumenten klar machen, dass wir derzeit nicht Google ablösen können/wollen
-internationale Pressearbeit und Kommunikation möglich machen

Das schöne an Träumen ist ja, dass man sie dann nicht selber umsetzen muss :wink: Aber genau das ist der Punkt, “Vereinsmeierei” liegt mir selbst nicht besonders, weshalb ich es immer toll finde, wenn man nicht probiert ein zweites Organisationsmodell in eine existierende Gemeinschaft einzubauen (hier also die Foundation, Wahlen, Mitgliedsbeiträge, …). Meines Erachtens geht das nämlich meist am Ziel vorbei. Wenn Geld gebraucht wird, ist doch klar, dass wir Spenden (oder Spenden eintreiben) und die Posten werden dann einfach per “Wer möchte denn?” vergeben. Denn um solche Arbeit reißen sich ja nun nicht gerade viele Leute :wink:

Danke Frederik für diesen Einblick. :slight_smile: