Technisches Hilfswerk plant Entwicklung eines bundesweiten GIS

Hallo zusammen,

vermutlich plaudere ich hiermit keine innerbehördlichen Geheimnisse aus, aber das THW unternimmt seit kurzem ernsthafte Anstrengungen ein Geoinformationssystem für das gesamte THW zu entwickeln bzw. entwickeln zu lassen. Das Projekt ist noch in einer ganz frühen Phase der Ideenfindung, ein erstes Treffen von Vermessungsingenieuren, Anwendern und Führungskräften, an dem ich auch teilgenommen habe, fand bereits statt. Leider gibt es im THW (und auch außerhalb) viele, die der Ansicht sind, daß eine BSI-Zertifizierung (und eine solche wäre für das THW-GIS als “Kritische Infrastruktur” zwingend und gründlich erforderlich) mit OpenSource nicht zu machen wäre, es gab auch Bedenken hinsichtlich OSM-Material. Am liebsten würden einige “Das Rad komplett neu erfinden”, wie es scheint. Dabei setzt das BSI selbst in seinen eigenen Systemen OpenSource ein, es entwickelt sogar selbst OpenSource-Tools und hat erst kürzlich ein OpenSource-Bezahlsystem zertifiziert.

Ich habe die OSM- und OpenSource-Fahne hochgehalten und kann mir nicht vorstellen, warum man das, was das THW braucht, nicht auch komplett mit OSM und OpenSource erledigen kann - genug Manpower und finanzielle Mittel natürlich vorausgesetzt.

Das THW braucht ein System, das beispielhaft folgende sehr grobe Anforderungen erfüllt:

  • Hochaktuelles Kartenmaterial als Basis (auch aus beliebigen, anderen Quellen (SAT-Karten etc.)
  • Beliebige, eigene (teils nichtöffentliche) Metadaten
  • Schnittstellen zu beliebigem, georeferenziertem Material
  • Beliebige Layer über der Karte mit Zusatzinformationen
  • Einsetzbar vom PC in der Leitung in Bonn bis zum Zugtruppfahrzeug vor Ort
  • Hochsichere Verschlüsselung der Clientverbindungen
  • Einfügen von neuen Layern mit beliebigen Linien, Punkten und Polygonen zum aktuellen Einsatzgeschehen
  • Dynamisches Bewegen von Markern von Fahrzeugen und Digitalfunkgeräten mit GPS auf der Karte
  • Planen von Camps für die Auslandsarbeit

Wie seht Ihr das - sollte sich das THW besser eine eigene Software entwickeln lassen oder wäre ein OpenSource-Projekt auf Basis von vorhandener, freier Software besser?
Bin ich hier mit meiner grundsätzlichen Frage überhaupt richtig, oder ist ein anderer Ort sinnvoller? :slight_smile:

Dirk
Informatik-Ingenieur
THW-Heusweiler

Ich bin mir gerade nicht sicher, was von den Aspekten da wirklich gegen FLOSS bzw. OSM spricht. Das meiste liest sich wie das 1x1 der GIS-Welt. Einige Anforderungen halte ich auch für zu kurz gedacht weil nicht feld-tauglich (siehe unsere offline-Erfahrungen im HOT).
Sein wir ehrlich, auch kommerzielle Produkte werden nur schwerlich BSI-zertifizierbar sein und mit version-pinning tut man sich bei solch dynamischen Szenarien wie beim Katastrophenschutz sicherlich auch keinen Gefallen… .

Letzten Endes ist es nur eine Frage des Geldes, wobei ich immer dachte, dass es (neben Helfern) daran immer beim THW mangelt … Naja vielleicht sollten die Entscheider noch mal kurz an die üblichen Desaster bei BOS und Behörden denken (Digitalfunk, Polizei-Software, Maut, eGK, Arbeitsagenturen, … ) und sich überlegen, ob sie das nicht vlt. besser machen wollen. Bei freien Lösungen hat man zumindest immer noch die Möglichkeit ein Projekt mit neuen Dienstleistern zu retten. Und ich kann vorher schauen was die Leute entwickelt haben und ob sie nur von agiler Entwicklung faseln, oder das auch realisieren. Die Open Source GIS-Komponenten sind sicherlich nicht perfekt, aber ebene auch praxiserprobt und breit unterstützt. Bin gespannt, wie man stattdessen ein klassisches KMU, oder einen Großkonzern davon überzeugen will beim Setup zu helfen, wenn mal am Wochenende Not am Mann ist…

Ob man dort dann auch auf OSM setzen sollte vermag ich nicht einzuschätzen. Aus meinem beruflichen Umfeld merke ich aber, dass die Bürokratie und künstliche Grenzen einen oft ausbremsen. Sowas haben wir bei OSM eben generell nicht :slight_smile: Auch gibt es bei uns ja einige Erfahrung bzgl. Notfall-Mapping. Und wenn ich mir da (heute gelernt) anschaue was es sonst für Plattformen gibt: WEA-NIS nunja, ich denke wir sind da oft unkomplizierter …

Wie wäre es denn, wenn das THW mal ein Wiki startet und mit den Ortsvereinen zusammen Anforderungen und Einsatzszenarien sammelt? (brainstorming, crowdsourcing) Daraus filtert man dann die wichtigsten und lässt sich diese von den Mitgliedern bestätigen. Das wäre erstmal eine gute Basis für eine Ausschreibung und die weitere Planung?

Die THW-Leitung wird sich noch länger - auch mit der Basis - mit diesem Thema beschäftigen. Ein erster Schritt ist nun getan - aber es ist nich nicht viel mehr als eine (wenn auch definitive) Absichtserklärung und eine Sammlung von Ideen, die zeigen, wo die Reise hingeht. Aber mir ging bisher immer ein “Hm, gibts schon” durch den Kopf, als die Ideen gesammelt wurden - und da zucken immer meine Augenbrauen und meine Finger wollen dann immer gleich schon einen Prototyp bauen - okay, das mache ich auch nebenher, aber derzeit nur für meinen OV als GIS für das Zugtruppfahrzeug. Hier aber verwende ich erfolgreich einen Offline-Tile-Server, Plugins und Marker von LeafLet aus der Datenbank sowie selbst entwickelte Schnittstellen zu anderen Datenquellen. Ich weiß daher, daß das THW “eigentlich” bisher nichts will, was es nicht schon gibt - es gibt es eben nur (nach meinem Wissen) nicht als fertig zusammengebautes, modulares und skalierbares System. Aber seit dem ich das weiß, daß das THW da was bundesweit machen will habe ich mein Softwareprojekt von Quick&Dirty auf sauber dokumentierte, modulare Lösungen umgestellt, man weiß ja nie :wink:

Ist das nicht wieder ein typisches Problem: “Wer ist mein Ansprechpartner?”
Ich komme hier zurück auf die Idee von einem OSM Deutschland Verein zurück, welches im Gegensatz zu FOSSGiS operativ agieren würde.

In Polen hat man wirklich beste Erfahrungen damit gemacht und nein, die bürokratische Pflichten halten sich in Grenzen, so dass die Arbeit für alle gut läuft ohne dass die wenigen sich damit überlastet fühlen.

Das THW möchte sich auch intensiver mit VOST-Teams beschäftigen. Grundlage für die Zusammenarbeit mit Nicht-THW-Angehörigen ist gerade geschaffen worden aus Anlass der letzten Flutkatastrophe an Donau und Elbe: Sogenannte “Spontanhelfer” (siehe auch BBK:Rechtliche Koordination für den Einsatz von Spontanhelfern) waren hier im Einsatz zusammen mit dem THW, und inzwischen ist diese Zusammenarbeit offenbar geregelt - und versichert. Gleiches will man auch nach Auskunft des Referats Grundsatz (Telefonat heute) auch mit OSM im Bereich GIS machen :slight_smile: Nun - hier bin ich :wink:

Dirk

Und da sind wir. Und nun? Wäre irgendeine Form der Selbstorganisation nicht hilfreich in diesem Fall? :slight_smile:

Im Moment müsste man dem THW die Frage stellen: Was wollt ihr überhaupt? Und im Moment gibt es darauf - abgesehen von Stichworten - noch keine fertigen Ideen. Im Moment also kann nicht viel geschehen. Aber ich bin für den Bereich Ehrenamt der Admin und Koordinator eines bundesweiten, geschlossenen Forums des THW auf Bundesebene, in dem zunächst eine Auswahl an Spezialisten des THW im Bereich Geoinformationen (überwiegend Vermessungsingenieure) über grundlegende Fragen diskutieren sollen. Dieser Prozess wird viele Monate dauern. Dann geh es eventuell bis fast runter an die Basis mit der Informationssammlung.
Meine Idee war es zunächst frühzeitig an richtiger Stelle über das große Projekt zu informieren und ggf. irgendwann mit anderen, die in dem Bereich tätig sind, an Prototypen oder Teil-Lösungen zu arbeiten, die für diese und ähnliche Anwendungen hilfreich und notwendig sind. Sicher gibt es da schon vieles, das gut funktioniert - aber das THW braucht letztendlich ein geschlossenes, universelles System, das sowohl in Fahrzeugen als auch im Büro funktioniert, das sicher ist, über Behördennetzwerke gehen kann, das redundant ist und vieles mehr.
Ich weiß nicht, ob es da schon Gruppen in Deutschland gibt, die sich mit GIS im KatS auskennen, die ähnliche Systeme entwickeln wollen oder die da vielleicht schon weiter sind als ich mit meinem Prototyp. Ich würde mich da anschließen oder ich würde selbst etwas auf die Beine stellen, sobald die grundsätzlichen Anforderungen klar sind. Mir ist klar, daß das im Moment alles stark unklar ist - aber es ist ein extrem früher Punkt für eine Software, die vermutlich erst in 5-10 Jahren in den Einsatz kommt. Aber ich weiß, daß ich nicht der einzige bin, der in dem Segment tätig ist und würde mich gerne zumindest vernetzen :slight_smile:

Gruß

Dirk

Hallo Dirk,
ich weiß dass die polnische Feuerwehr in der Stadt Swiebodzin und dem ganzen Landkreis auf OSM setzte und die OSM Daten dieser Gegend verwendet und pflegt.

Das Kontrollsystem scheint sehr gut zu sein. Ich habe einmal ein Wasserhydrant um 0.5 m verschoben und bekam prompt die Anfrage, woher ich diese neue Position denn wisse. :slight_smile: Klar, sie hatten Recht.

Der Hauptmann der das auf die Beine gestellt ist klar ein OSM´ler. Man kann über ein Erfahrungsaustausch nachdenken falls Du es möchtest.

Grüße,
Marek

Naja, entweder schon vorhandene open source software verwenden oder neue open source software entwickeln. :wink:

Denn auch wie schon angedeutet, die Feuerwehr ist vermutlich ähnlich aufgestellt was die Bedürfnisse angeht. Und da meine ich auch schon gelesen zu haben, wie der ein oder andere für seinen örtliche FFW ein System aufgesetzt hat. Hier mal im Forum nach denjenigen suchen.
Und wenn dann vielleicht eben auch noch die Feuerwehr mit reinspielt, dann hätte man natürlich gleich noch mehr Leute im Boot. Und gegen eine softwareübergreifende Lösung von THW und FW ist sicherlich auch nichts zu sagen. Aber klar, erst mal muss man seine eigenen Anforderungen kennen und formulieren.

Und: wenn man (ich) schon von THW und FW gemeinsam spreche, dann war das auf Deutschland bezogen. Aber wenn man überlegt, dass es solche oder ähnlichen Dienste ziemlich weltweit gibt, dann ist das so betrachtet natürlich gleich nochmal ein riesiger Multiplikator für weitere Anwender.
Da eine Software entwickeln, übersetzen und weltweit als open source den Wehren und Werken zur Verfügung stellen…das hätte schon was weltbewegendes. :wink: Und da kann man dann auch getrost von einer Neuentwicklung sprechen, das würde sich lohnen.

Das stimmt, das THW hat zwar besondere Strukturen, aber ich habe auch schon größer gedacht - letztendlich gleichen sich die Anwendungsszenarien im Wesentlichen sehr. Aber das ergibt sich dann automatisch bei der Entwicklung, mit der ich am liebsten jetzt direkt beginnen würde :-). Konzeptionell ist die nutzende Organisation zunächst Nebensache :slight_smile:

Hallo…

das THW hat ja schon in OSM einen gewissen Erfassungsgrad. Hier mal die Auswertung für Brandenburg: http://overpass-turbo.eu/s/hau.

Was das Tagging anbelangt, gibt es auch schon einiges: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Tag:emergency_service%3Dtechnical

Leider gab es kurz mal Zeitgenossen, die sich trotz Beratung nicht an dieses Tagging gehalten haben und unschöne und schwer bis nicht vernünftig auswertbare Tags der Form squad_x=y (x=1-9) produziert haben. Hier die Auswertung dafür für Brandenburg:http://overpass-turbo.eu/s/hat .

Meiner Ansicht nach sollte squad=* entsprechend Wiki bereinigt werden. Dann hättet Ihr eine gute Grundlage.

Sven

Wahrscheinlich meinst du mich.

Wobei ich da auch nur einen Offline-Tileserver aufgesetzt und ein bisschen am Kartenstil geschraubt habe, das hat Dirk ja aber auch schon geschafft.

Viele Grüße,
Christoph

Ich schmeisse mal nur als Anregung noch die Wikiseite http://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:OSM_f%C3%BCr_Einsatzkr%C3%A4fte in den Ring.

Vielen Dank, das ist schonmal hilfreich - wenn auch einige Projekte nicht mehr aktiv sind. Danke :slight_smile:

Nen bekannter hat ein Smartphone-basiertes FMS auf Basis von Jabber/XMPP gebastelt, ejabberd kann man ja wunderbar skalieren (Bestes Beispiel: Whatsapp), Verschlüsselung gibt’s bei Jabber auch, evtl. wäre das ja auch was fürs THW als Entwicklungsbasis…
Bezüglich Digitalfunkgeräte und GPS-Marker: Mein dienstliches Motorola FuG zeigt noch nicht mal die Genauigkeit der bestimmten Position an, ist das beim THW besser? Falls nein würde ich definitiv davon abraten solche Daten zu verwenden…

So ganz habe ich diesen Thread noch nicht verstanden. Der THW als sehr große Organisation plant ein generell neues GIS nach dem Top-Down-Ansatz. Dieser Thread folgt eher einem (undercover?) Bottom-Up-Vorgehen eines Einzelnen. Zu was soll das führen? Wenn OSM im Gesamtprojekt eine (wie auch immer aussehende) Rolle spielen soll, dann sollte die Community in anderer, eher zielführender Art und Weise involviert werden.

Gruß Klaus

" dann sollte die Community in anderer, eher zielführender Art und Weise involviert werden."

Hi Klaus,
ein Vorschlag wie?
Grüße,
Marek

Auf YouTube (DuRöhre) gibt es eine Videoreihe zur Einsatzkarte:

https://www.youtube.com/watch?v=Eym6JFbQIWY&list=PL1yY359sr02BH7rnLYf5s684mrncwIZ_W

Und hier, ganz neu von der FOSSGIS 2016, das Leitstellenspiel auf OSM-Basis:

https://www.youtube.com/watch?v=wYdbwr9cY5Q

Es geht vermutlich erst in einem Jahr in die Phase, wo es darum geht wie das System konkret aussehen soll. Bis dahin gibt es nur die Idee des THW - daher ist selbst das THW von einem konkreten Modell der Vorgehensweise weit entfernt und sammelt erst mal Daten und Informationen. Mir ging es daher hier nur primär darum zu sagen, daß das THW etwas in dieser Richtung vor hat und dass man auch in einigen Monaten konkret und strukturiert auch an OSM herangehen wird. Ich fand es aber fair, dass die bloße Absicht schon jetzt kommuniziert wird, da ich mir schon frühzeitig Gedanken darüber mache wie man sowas theoretisch mit OSM-Mitteln als Basis bewerkstelligen könnte. Daher sind das im Moment nur völlig unstrukturierte Gedankenspiele und keinesfalls ein konkretes Ansinnen :slight_smile:

Falls Ihr euch für eine OSM / OpenSource Lösung entscheidet wäre meine Empfehlung mit einem professioneller OSM Dienstleister wie der Geofabrik zusammenzuarbeiten.