Hallo, ich mappe hauptsächlich in Osteuropa und beobachte die dortigen Mapping-Communities recht genau.
In Weißrussland ist derzeit ein Sprachkonflikt losgebrochen und ich wollte mal eure Meinung dazu hören.
Weißrussland hat offiziell zwei Amtssprachen. Weißrussisch und Russisch. Laut offizieller Statistik sprechen 74% im Alltag Russisch, 11% Weißrussisch, der Rest ist zweisprachig. Im Internet dominiert Russisch praktisch komplett, z.B. rufen weniger als 2% der Weißrussen die weißrussische Wikipedia auf. Das weißrussische OSM-Forum ist praktisch komplett russischsprachig.
Die lokale OSM-Community hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, im lokalen “name”-tag nur Russisch zu verwenden, Weißrussische Namen kommen nach name:be.
Jetzt kommen wir zum entscheidenden Teil: Auf offiziellen Straßenschildern und Schildern an öffentlichen Gebäuden wird meistens nur die weißrussische Schreibweise verwendet. Private Werbetafeln oder Anschriften an Geschäften sind aber meistens nur Russisch. Offizielle Schilder aber eben zu 80-90% nur Weißrussisch. (Interessanterweise haben offizielle Behörden in Weißrussland dann aber meistens nicht mal eine Weißrussische Website…) Alle Objekte haben offiziell zwei Namen, einen Weißrussischen und einen Russischen. Google Maps verwendet für Weißrussland ausschließlich Weißrussisch, Yandex.Maps nimmt beide Sprachen, zeigt Russisch aber größer und dicker an. Die offizielle Weißrussische Katasterkarte ist interessanterweise nur auf Russisch. Was aber nichts daran ändert, dass ca 80-90% der offiziellen Schilder Weißrussisch sind.
Es gibt in OSM ja die sogenannte “on-the-ground” Regel, die besagt dass in OSM die Sprache verwendet wird, die eben vor Ort verwendet wird. In Weißrussland wäre das trotz der Dominanz des Russischen dann wohl eher das Weißrussische, zumindest was z.B. Straßennamen angeht. Problematisch wird es dann aber bei privaten Einrichtungen , Läden, etc, die meistens nur mit Russisch beschriftet sind. Die Mehrheit der Bevölkerung verwendet in Weißrussland nur Russisch, viele können kein Weißrussisch. 100% der Objekte in Weißrussland wurden in OSM auf Russisch getaggt, unter 50% haben einen Name:be tag. Die meisten weißrussischen OSM-Nutzer sind für ein Mapping auf Russisch, was seit Jahren auch die gängige Praxis ist. Eine Umstellung auf Weißrussisch wäre gar nicht so einfach möglich, da schlicht der Datenbestand noch nicht da ist.
In den letzten Wochen kam eine ziemlich kompromisslose Gruppe von OSM-Nutzern aus dem Ausland (Polen und der Ukraine), aber auch einige Russisch-Kritiker aus Weißrussland, die seitdem versuchen Weißrussisch als Haupt-Mapping-Sprache zu pushen, mit Verweis auf die “on-the-ground”-Regel. Seitdem gibt es dort ziemliche Edit-Wars und Sprachenchaos. Wenn das so weitergeht wird der name-Tag in Weißrussland unbenutzbar und man muss auf Name:ru oder Name:by zurückgreifen. Diese Gruppe, insgesamt ca 9-10 Leute, will keine Entscheidung der DWG abwarten und sofort alles auf Weißrussisch umstellen.
Das Hauptargument der Weißrussisch-Befürworter ist, dass sich die Weißrussischen und Russischen Bezeichnungen in einigen Fällen stark von einander unterscheiden und Nicht-Einheimische ein Weißrussisches Schild dann nicht immer dem Namen in ihrem Navi zuordnen können. Das ist aber eher selten der Fall, meistens sind sich Weißrussisch und Russisch extrem ähnlich
Was wiegt in diesem Fall mehr? Die Mehrheitsentscheidung der lokalen Community? Eine OSM-weite Regel? (Welche für mich im Fall Weißrussland aber nicht so klar für Weißrussisch spricht, wie das diese Gruppe gerne hätte…) Die Mehrheitssprache vor Ort?
Was ich in diesem Fall auch ein kritisch finde, ist, dass die aktivsten Sprachveränderer hier aus dem Ausland kommen und ich ehrlich gesagt zumindest teilweise auch russophobe Motive dahinter vermute.
Was meint ihr?