Hallo,
das ist kurzsichtige, scheinbare Optimierung. Kreuzschnabel hat schon den wertenden Begriff der Multipolygonitis genannt. Such mal nach “Multipolygonwahnsinn”. 
<Multipolygonbefürworter meine_Meinung=“nein”>
Damit kann man im OSM-Datenmodell angeben, dass zwei aneinander grenzende Flächen eine gemeinsame Kante habe. Beide Relationen vom Typ Multipolygon referenzieren ja denselben Way. Außerdem werden unnötige Ways gespart, weil man den einen Way mehrfach verwenden kann.
</Multipolygonbefürworter>
Davon habe ich mich in meinen ersten Monaten (AFAIR sogar im ersten Änderungssatz) verführen lassen.
Mit Potlatch 2 soll das angeblich besonders effizient zu editieren sein. Diesen Editor hat zumindest ein Multipolygonliebhaber verwendet, dem wir es auf schmerzhafte Art abgewöhnen mussten. Er hatte argumentiert, dass es doch so einfach sei. Vielleicht muss man dazu aber auch in besonders hohe Potlatch2-Sphären aufgestiegen sein.
Mir als JOSM-Nutzer werden sie verwehrt bleiben.
Weitere Argumente für die intensiv(st)e Verwendung von Multipolygonen nennt dir sicherlich er hier auf der Mailingliste Talk-de (die drei letzten Absätze, er ist auch dort eher allein mit seiner Meinung)
Die Realität ist leider, dass man mit diesem Mapping sich elektrische Dornenhecken in sein Mappingrevier pflanzen kann, an die sich Leute, die keine absolute Anfänger mehr sind, nicht oder nur widerwillig herantrauen. Absolute Anfänger wissen noch nicht was sie tun und treten die elektrischen Dornenhecken um. Mangels Schmerzempfinden (kennen ja noch kein Qualitätssicherungswerkzeug wie den OSM Inspector oder Osmose) fällt ihnen nicht auf, dass ihre Bearbeitungen unabsichtlich das Multipolygon beschädigt haben.
Ebenfalls Realität ist, dass für zahlreiche Anwendungen von OSM-Daten Multipolygone, die man mit geschlossenen Ways (das Beispiel, das du genannt hast) ebenso gut und einfacher mappen könnte, bremsend wirken.
In OSM haben nur Nodes Koordinaten. Ways haben nur die IDs der Nodes, aus denen sie bestehen (die sie referenzieren). Relationen haben ebenfalls nur ID-Listen (plus Objekttyp des Mitglieds und dessen Rolle).
Die wohl häufigste Anwendungsarten von OSM überführen als erstes OSM-Daten in eine Struktur, in der es keine Nodes, Ways und Relations mehr gibt. Stattdessen gibt es Punkte, Linien und Flächen (Point, LineString, Polygon und dazu noch MultiPoint, MultiLineString, …, aber das geht hier zu weit). Ein LineString ist eine Liste an Koordinatenpaaren (eine Dezimalzahl für den Rechtswert, eine für den Hochwert), womit die Geometrie beschrieben wird. Bei Polygonen ist es ebenso.
In OSM-Dateien stehen am Anfang alle Nodes nach ID geordnet, dann alle Ways nach ID geordnet und am Ende alle Relationen nach ID geordnet. Um aus Ways LineStrings zu machen, muss man zuerst alle Nodes in den Arbeitsspeicher laden (~ 40 GB für den gesamten Planet, Tendenz steigend), denn nur beim Zwischenspeichern im Arbeitsspeicher kann man in akzeptabler Zeit LineStrings erzeugen. Dennoch – und genau darin liegt der Vorteil – von Ways, genügt es nur die Nodes im Arbeitsspeicher zwischenzuspeichern. Ein einziges Einlesen der OSM-Datei, das ob der Datenmenge schon ein paar Minuten mit gut optimiertem Code und mehreren parallelen Threads dauert, genügt.
Für das Rekonstruieren eines Polygons aus einer Multipolygon-Relation muss man die OSM-Datei zweimal einlesen. Erst liest man alle Nodes ein und speichert ihre Koordinaten im Arbeitsspeicher. Anschließend geht man flott über die Ways hinweg (man muss ein bisschen lesen, wenn es PBF-Dateien sind) und liest die Relationen ein. Jede Relation, die man für interessant erachtet (type=multipolygon), speichert man ebenfalls im Arbeitsspeicher zwischen. Man legt für sie eine Liste der Mitglieder (Typ, ID) an. Nun springt man wieder an den Anfang der Datei und sammelt alle Mitglieder (Nodes, Ways, andere Relationen) ein. Wenn eine Relation vollständig ist, kann man sie erst rekonstruieren und den Speicher anschließend wieder freigeben.
Das ist machbar, wenn es eine relativ zur Gesamtzahl an flächenhaften Objekten in OSM geringe Anzahl an Multipolygonrelationen ist. Wäre aber jedes Gebäude als Relation vom Typ Multipolygon erfasst, müsste man alle Nodes und Ways zwischenspeichern (man würde aber dann nur einmal die Datei lesen müssen) und erheblich mehr Arbeitsspeicher benötigen.
So viel zu dem Datenmodell, das den Datennutzern auf die Füße fällt, sie zum Kauf bzw. zur Miete teurer Server zwingt und keinem nützt. Glücklicherweise bewegt sich etwas mittlerweile ein klein wenig an der Front.
Ernsthafte Anwendungen samt Quellcode, für die der Vorteil der gemeinsamen Kante und des Sparen von Ways einen Vorteil bringt, sind mir bislang nicht bekannt. Vielleicht sollte ich mal einen symbolischen Preis dafür ausloben?
Viele Grüße
Michael